Dass man Geruch erinnern kann, zeigt, dass er keine Frage der Moleküle ist.

DAS GESPENST DER ORDNUNG

deutschlandfunk Essay und Diskurs

  1. Januar 2024, 09:30 Uhr
  2. https://www.deutschlandfunk.de/das-gespenst-der-ordnung-100.html

Es gibt keine menschliche Gesellschaft, die gänzlich unverfasst ist. Dann nämlich wäre sie, Hegel zufolge, nur ein atomistischer Haufen von Individuen, der jeder Ordnung entbehrte. Gesellschaften sind organisiert – und nicht nur sie. Alles, was ist, ist zwar unterschieden, aber eben nicht geschieden. Es gibt eine Verkettung. Das ist der scholastische Kerngedanke. Der Welt ist Ordnung auferlegt – en gros und en détail.

Ist die Ordnung also ein unsichtbares geometrisches Netz, das übrigbleibt, nimmt man alle Dinge weg?

Bei einem Sandhaufen kann man jedenfalls nicht von Ordnung sprechen – es gibt zwar viel, aber nur viel vom Selben.

Ordnung hat System. Sie beruht auf Regelmäßigkeiten.

Der Amerikaner Arthur Oncken Lovejoy untersuchte in einem grandiosen philosophischen Essay den ehrwürdigen metaphysischen Gedanken von der „großen Kette der Wesen“ – und löste ihn auf. Der französische Philosoph Michel Foucault hat den Befund in seinem Klassiker „Die Ordnung der Dinge“ vertieft.

Ordnung hat Geschichte – aber Geschichte nicht unbedingt eine Ordnung. Allerdings verschafft der Historiker ihr eine, in dem er der Geschichte die Form einer Erzählung gibt. Der Staatsrechtler Carl Schmitt wiederum hat einen Zusammenhang zwischen Ordnung und geschichtlichem Raum („Ortung“) konstatiert. Und Wittgenstein wiederum meinte, Philosophie habe einiges damit zu tun, „sein Zimmer aufzuräumen“. Auch er sah also den Zusammenhang zwischen Ordnung und Raum.

Der Volksmund spricht davon, Ordnung sei das halbe Leben.

Heute ist man der Auffassung, dass es der Mensch sei, der Ordnung in die Welt trage – in sie „hineinsehe“, um es nietzscheanisch zu sagen.

Aber wie kann es dann sein, dass Ordnungen zusammenbrechen? Ganz ohne unser Zutun. Oder doch nicht?

Welche Rolle spielt der Zufall, den auch das Anthropozän nicht wird einhegen, also vermenschlichen können?

Es gibt keine menschliche Gesellschaft, die gänzlich unverfasst ist. Dann nämlich wäre sie, Hegel zufolge, nur ein atomistischer Haufen von Individuen, der jeder Ordnung entbehrte. Gesellschaften sind organisiert – und nicht nur sie. Alles, was ist, ist zwar unterschieden, aber eben nicht geschieden. Es gibt eine Verkettung. Das ist der scholastische Kerngedanke. Der Welt ist Ordnung auferlegt – en gros und en détail.

Ist die Ordnung also ein unsichtbares geometrisches Netz, das übrigbleibt, nimmt man alle Dinge weg?

Bei einem Sandhaufen kann man jedenfalls nicht von Ordnung sprechen – es gibt zwar viel, aber nur viel vom Selben.

Ordnung hat System. Sie beruht auf Regelmäßigkeiten.

Der Amerikaner Arthur Oncken Lovejoy untersuchte in einem grandiosen philosophischen Essay den ehrwürdigen metaphysischen Gedanken von der „großen Kette der Wesen“ – und löste ihn auf. Der französische Philosoph Michel Foucault hat den Befund in seinem Klassiker „Die Ordnung der Dinge“ vertieft.

Ordnung hat Geschichte – aber Geschichte nicht unbedingt eine Ordnung. Allerdings verschafft der Historiker ihr eine, in dem er der Geschichte die Form einer Erzählung gibt. Der Staatsrechtler Carl Schmitt wiederum hat einen Zusammenhang zwischen Ordnung und geschichtlichem Raum („Ortung“) konstatiert. Und Wittgenstein wiederum meinte, Philosophie habe einiges damit zu tun, „sein Zimmer aufzuräumen“. Auch er sah also den Zusammenhang zwischen Ordnung und Raum.

Der Volksmund spricht davon, Ordnung sei das halbe Leben.

Heute ist man der Auffassung, dass es der Mensch sei, der Ordnung in die Welt trage – in sie „hineinsehe“, um es nietzscheanisch zu sagen.

Aber wie kann es dann sein, dass Ordnungen zusammenbrechen? Ganz ohne unser Zutun. Oder doch nicht?

Welche Rolle spielt der Zufall, den auch das Anthropozän nicht wird einhegen, also vermenschlichen können?

Der Zufall, sagt der französische Autor Sascha Guitry, ist ein Gott.

Ist Ordnung eine Insel im Meer der Unordnung? Warum ist Ordnung limitiert?

Der Zufall, sagt der französische Autor Sascha Guitry, ist ein Gott.

Ist Ordnung eine Insel im Meer der Unordnung? Warum ist Ordnung limitiert?

Es gibt keine menschliche Gesellschaft, die gänzlich unverfasst ist. Dann nämlich wäre sie, Hegel zufolge, nur ein atomistischer Haufen von Individuen, der jeder Ordnung entbehrte. Gesellschaften sind organisiert – und nicht nur sie. Alles, was ist, ist zwar unterschieden, aber eben nicht geschieden. Es gibt eine Verkettung. Das ist der scholastische Kerngedanke. Der Welt ist Ordnung auferlegt – en gros und en détail.

Ist die Ordnung also ein unsichtbares geometrisches Netz, das übrigbleibt, nimmt man alle Dinge weg?

Bei einem Sandhaufen kann man jedenfalls nicht von Ordnung sprechen – es gibt zwar viel, aber nur viel vom Selben.

Ordnung hat System. Sie beruht auf Regelmäßigkeiten.

Der Amerikaner Arthur Oncken Lovejoy untersuchte in einem grandiosen philosophischen Essay den ehrwürdigen metaphysischen Gedanken von der „großen Kette der Wesen“ – und löste ihn auf. Der französische Philosoph Michel Foucault hat den Befund in seinem Klassiker „Die Ordnung der Dinge“ vertieft.

Ordnung hat Geschichte – aber Geschichte nicht unbedingt eine Ordnung. Allerdings verschafft der Historiker ihr eine, in dem er der Geschichte die Form einer Erzählung gibt. Der Staatsrechtler Carl Schmitt wiederum hat einen Zusammenhang zwischen Ordnung und geschichtlichem Raum („Ortung“) konstatiert. Und Wittgenstein wiederum meinte, Philosophie habe einiges damit zu tun, „sein Zimmer aufzuräumen“. Auch er sah also den Zusammenhang zwischen Ordnung und Raum.

Der Volksmund spricht davon, Ordnung sei das halbe Leben.

Heute ist man der Auffassung, dass es der Mensch sei, der Ordnung in die Welt trage – in sie „hineinsehe“, um es nietzscheanisch zu sagen.

Aber wie kann es dann sein, dass Ordnungen zusammenbrechen? Ganz ohne unser Zutun. Oder doch nicht?

Welche Rolle spielt der Zufall, den auch das Anthropozän nicht wird einhegen, also vermenschlichen können?

Der Zufall, sagt der französische Autor Sascha Guitry, ist ein Gott.

https://www.deutschlandfunk.de/das-gespenst-der-ordnung-100.html

Die sozialen Medien bilden eine Echokammer für den Gratismut: Pro bono – contra malum.

MASCULIN – FÉMININ: LEHRE VOM NEIGUNGSWINKEL

Für die Rubrik “Das Gespenst der Sexualität” mein Essay zum Verschwinden der Weiblichkeit in: TUMULT. VIERTELJAHRESSCHRIFT FÜR KONSENSSTÖRUNG Herbst 2023

Besitzen die Körper beider Geschlechter nicht ausreichend Öffnungen, Fortsätze, Schleimhäute und Warzen, um alle sexuellen Bedürfnisse, die man haben kann, stimulieren und befriedigen zu können? Auch die, die zwischen den Polen Mann und Frau anzutreffen sind.

Warum das Geschlecht operativ wechseln? Wir werden das neue nach dem Wechsel da dorten (landschftl.) nie wirklich fühlen.

Können wir uns ein anderes Bewusstsein operativ einpflanzen lassen? Und blieben die Inhalte davon unbetroffen – wie bei einer Wechselplatte?

Wer den Teufel im Leib spürt, kann die Hände zu den Schläfen heben und links und rechts die Zeigefinger krümmen. Er muss nicht gleich die Hufe eines Ziegenbocks vorweisen.

Jenseits des Physiologischen geht es immer um das Als-ob.

Nicht ich selbst bin es, der mir das Geschlecht zuweist, es ist das von mir Begehrte, das mir sagt, wer ich bin.

Die Welt ist kein Text. Sie ist nicht lesbar, sondern sichtbar.

SIEG ÜBER DIE SONNE

Mein Essay zur Krise der Wahrnehmung in: TUMULT. Vierteljahresschrift für Konsensstörung, Sommer 2023

Die Welt scheint vor allem für das Auge geschaffen. Freimütig breitet sie sich vor uns aus und zeigt sich von ihren schönen und schrecklichen Seiten, zeigt sich in allen Schattierungen, in jedem Licht, bei Mondschein, in der Dämmerung, tagsüber und sogar im Nebel.

Die Welt ist sichtbar. Sie liegt uns vor. Auf jedes ihrer Phänomene können wir mit dem Finger deuten. Da, dort, dort drüben.

Und doch halten wir die Welt, so wie sie sich gibt, nicht für wahr. Die Geschichte, in die wir da verstrickt sind, reicht weit zurück. Seit langem schon sind wir nämlich gegenüber dem, was uns die Augen präsentieren, misstrauisch.

Zumal im 16. Jahrhundert wurde die Krise der Wahrnehmung manifest – imm kartesianischen Zweifel, der dadurch ausgezeichnet ist, dass er an allem zweifelt. Die mediale Bilderflut, mit der wir aber heute konfrontiert sind, vertieft diese Krise noch einmal, weil sie uns visuell erschöpft. Schon unter den Zehn- bis Zwölfjährigen nutzen 59 Prozent digitale Medien bis zu zwei Stunden am Tag, 30 Prozent eher zwei bis drei Stunden und 10 Prozent sogar drei bis fünf Stunden. Erwachsene sehen im Schnitt pro Tag zehn Stunden und mehr auf einen Bildschirm. Die Medien auferlegen der globalen Öffentlichkeit ein Blickregime, das Liveness vortäuscht, jedoch Rechenzeit verbraucht – womit jede angebliche Präsentation zur Repräsentation verkümmert.

Was wir dort, auf den Monitoren finden, sind sogenannte Inhalte. Inhalte sind an den Verstand gebunden, denn sie können nicht gesehen, sondern nur verstanden werden – im Licht der Sonne dagegen liegt alles offen zutage, das nur wahrgenommen, nicht gleich gedacht zu werden braucht. Was uns das Display zeigt, ist also nur der bunte Schatten der Dinge. Wir sind in diesem Sinn immer noch Höhlenmenschen, denn wir haben Platons Kino nie verlassen. Wir tragen es jetzt nur mit uns herum.

Dass wir uns von Anfang an dagegen gewehrt haben, dasjenige, welches vor Augen liegt, ernst zu nehmen, wird nun von der Heraufkunft des Deepfakes auf ironische Weise bestätigt: Nichts ist ernst zu nehmen – außer dem Nichts selbst.

Allein das persönliche Wort trägt die Wahrheit in sich.

Man lebt nicht von einem einzigen Jahrhundert.

Der Mensch als solcher kann nichts Unmenschliches tun – das ist das anthropologische Problem der Moderne.

Wieder einmal soll die Sprache wahrer werden als die Tatsachen. (Sprache soll Wirklichkeit konditionieren.)