Vorträge

Vortrag

Meine Vorträge sind philosophischer Natur und richten sich an ein interessiertes Publikum, nicht an ein Fachpublikum.

In den Vorträgen werden Fragen anschaulich, deren Natur es ist, dass sie von uns allen geteilt werden.

Fragen, die diesen Namen verdienen, haben keine Antworten, sondern Geschichte.

Anfragen zu Themen und Preisen bitte an mich.

MEHR ALS NUR EIN ÄRGERNIS.

VOM NUTZEN DER METAPYHSIK FÜR DAS LEBEN

30′

Eine gewisse Stilart des Imaginären nennen wir Metaphysik. Dem philosophischen Establishment gilt sie als Ärgernis, mindestens aber als überholte Form philosophischen Denkens, deren letzter Höhepunkt mit Fichte, Hegel und Schelling erreicht worden ist. Metaphysik löst keine Fragen – statt Lösungen hat sie nur eine lange Geschichte anzubieten. Anhand dieser wird allerdings klar, was auf dem Spiel steht, wenn man sie aus dem philosophischen Gespräch entfernt.

Metaphysik liegt im Interesse des Menschen – jedes Menschen. Es geht um letzte Fragen, um den Sinn des Ganzen, den Zusammenhang, um unser Woher und Wohin. Dass sie in Misskredit geraten ist, liegt am Positivismus, der metaphysische Sätze für sinnlos erklärt. Das missachtet den Umstand, dass es einen Erkenntnispluralismus gibt – es geht nicht nur darum, was der Fall ist, sondern auch darum, wie es ist oder wäre, wenn man sich in einer solchen Situation befände. Es geht um Vergegenwärtigung.

Metaphysik muss, um Metaphysik zu sein, die Kritik mitdenken. Dem rein logizistischen Denken ist die Sache oft genug bloß störender Inhalt. Auch der härteste philosophische Begriff beruht aber auf einer Metapher, d. h. auf einem Bild – das ist die Pointe, deren sich der Positivismus nicht bewusst ist.

Die erschließende Kraft des Denkens reicht unendlich viel weiter als die beweisende Kraft des Wissens. Neben Präzision gibt es Prägnanz – und der geht es eben um den Zusammenhang des Ganzen.

DIE FÄLSCHUNG DER WELT

30′

Kleine Bauernhöfe mit einer überschaubaren Anzahl von Kühen, Schweinen, Hühnern sowie Traktor und Mähdrescher werden von Agronomen gern als Museumslandwirtschaft apostrophiert. Mit dieser Diskreditierung äußert sich ein Hochmut, der angesichts der ökologischen Katastrophen, die die Rationalisierung der Landwirtschaft heraufbeschworen hat, befremdet. Offenbar läuft da etwas schief – nur was genau?

Fest steht: Wir haben Anteil an der Welt – und die Welt hat Anteil an uns. Wie kann es sein, dass dieser Zusammenhang offenbar aus der Balance geraten ist? Der Anteil, den wir an der Welt haben, wächst nämlich in einem Maß, welches dieser nicht gutzutun scheint. Gibt es Grenzen des Machens, die noch vor den Grenzen der Machbarkeit liegen?

SCHWELLE UND GRENZE

40′

Warum bleiben wir vor einer Schwelle stehen und warten darauf, dass man uns zum Eintreten auffordert? Die Schwelle ist nicht nur ein Stück Holz, sondern auch das, was seine Anordnung im Raum bedeutet. Das pro fanum erstreckt sich vor dem Tempel, vor dem Podest oder dem Altar. Niedrige Türen zwingen dazu, in gebückter Haltung einzutreten. Sie erniedrigen nicht, um zu demütigen, sondern um zur Demut aufzurufen.

Der ontologische Status einer Grenze unterscheidet sich dagegen von dem der Schwelle fundamental. Während die Grenze dazu aufruft, sie zu übertreten, ist die Schwelle sakrosankt. Schwellen sind metaphysisch, Grenzen semantisch oder geographisch.

DIE INNENSEITE DER WIRKLICHKEIT. FAKT, FAKE, FIKTION

40′

Wir leben in einer Zeit imaginativer Not. Angebetet wird das Datum, das Faktum, die Information. Bestätigt wird diese Diagnose von dem Furor, mit dem versucht worden ist, das Pseudonym der Bestsellerautorin Elena Ferrante zu lüften – und vollends in Kraft gesetzt wird sie von dem Triumphgeheul, das neulich in den Medien anhob, als der französische Literaturwissenschaftler Claude Schopp eine Dame namhaft machte, die dem Maler Gustave Courbet für das Bild Der Ursprung der WeltModell gestanden haben soll.

Wir leben in einer medial durchgetakteten Wirklichkeit, die im größten Informationspool aller Zeiten täglich den Faktencheck zelebriert. Die Abwertung der Fiktion als nur Erfundenes zeigt sich u. a. daran, dass Literatur praktisch ausschließlich inhaltlich aufgefasst wird. Welche Stories und Botschaften vermittelt sie – und wie lehrreich sind diese? Das ist die Frage, die heute zählt. Probleme der Gegenwart werden brav nacherzählt – das hält man für Literatur.

Die Netzwerk-Gesellschaft droht trotz und gerade wegen ihrer Transparenz-Kultur zu erblinden. Edutainment und Infotainment haben die Einbildungskraft in ein kraft- und zahnloses Gespenst ihrer selbst verwandelt. Dabei sind das Imaginäre und die Imagination in die Ontogenese des Wirklichen tief verstrickt. Fakt und Fiktion sind dessen zwei Seiten, denn was unter der Vorherrschaft der Naturwissenschaften in Vergessenheit geraten ist: Auch die Wirklichkeit verfügt über eine Innenseite

FREMDGEHEN. GRAMMATISCHE REFLEXIONEN

40′

Das Problem jeder Sprache ist, dass sie in Kontakt mit anderen steht. So äußerst sich Kulturkritik mit Vorliebe als Kritik an Wörtern: Welches Fremdwort ist gut, welches überflüssig, und welches schlecht. An den Wörtern besteht das größte Interesse, denn Wörter gehören zum wichtigsten Bestandteil der Sprache. Das Metawissen über Sprache nennen wir Grammatik – knowing what. Eine Sprache sprchen können bedeutet dagegen: knowing how.

Jede Grammatik ist eine Philosophie der Sprache – eine unter vielen möglichen -, und als solche ein Kind des Alphabets. Grammatik ist die Schlüsseltechnologie unserer Zivilisation. Sie kann nicht erlernt, sie muss intuitiv erfasst werden. Historisch gewachsen, ist das Verhältnis der Grammatik zur Muttersprache nicht theoretisch – wie oft geglaubt wird -, sondern ästhetisch. Es braucht Geschmack, um reden und argumentieren zu können, denn man muss nicht nur wissen, was zu sagen ist, sondern auch, wie es zu sagen ist. Der Muttersprachler „hört“, ob ein Satz so geht oder nicht so geht. Grammatik selbst wird gern beschrieben durch die Metapher des Ingenieurs: Man baut Sätze, konstruiert Satzbaupläne oder komplexe grammatische Gebilde.

Wenn wir an Grammatik denken, haben wir eher gemischte Gefühle. 

“Das grammatische Wissen ist Macht, die vor allem in der Regulierung des Fremden mit den Mitteln der Schrift ausgeübt und in der Literatur reflektiert wird.“ 

Robert Stockhammer

VORGEFÜHL UND AHNUNG. ÜBER MANTIK

40′

Wir beginnen schon zu erkennen, wenn wir bloß sind.

Wolfram Hogrebe

Ahnungen, Vermutungen, Gespür sind Eingebungen, die natürliche Erkenntnisse liefern, deren Eigensinn nicht in einer anderen Wissenschaft aufgehoben werden kann – weder in der Biologie, noch der Physiologie oder Psychologie. Trotzdem wird das Bauchgefühl von den Wissenschaften gewöhnlich attackiert, bleibt intuitives Wissen gegenüber diskursivem chancenlos. Epistemich entwertet, sind jedoch Ahnungen, Vermutungen und Vorgefühl Erkenntnisinstrumente eigenen Rechts.

Husserl zufolge hebt – anders als wissenschaftliche Erkenntnis – „natürliche Erkenntnis mit der Erfahrung an und verbleibt in der Erfahrung“. Mit anderen Worten: Auch die Wissenschaften bleiben bei aller Abstraktion in der Lebenswelt eingebettet. 

Manchmal ahnen wir, auf dem Holzweg zu sein. Woher kommt diese Eingebung? Sind wir nur das Medium, in dem sich diese zur Geltung bringt? Und was sehen wir da, ohne es zu sehen? Warum spüren wir, dass wir den richtigen Lösungsweg eingeschlagen haben? Woher kommt das Vorgefühl?

Wie Gedanken und Einfälle stellen Ahnungen sich ein – wir können sie nicht von uns aus erzwingen. Uns geht so unvermutet ein Licht auf, wie sich ein Gedanke einstellt. Doch genau diese Einsicht wird von den diskursiven Wissenschaften gern übersprungen! Als ließe sich auch der erste Einfall von irgendwo herleiten. Hinter Ahnungen kann jedoch so wenig zurückgegangen werden wie Wissen übertroffen. Die Logik des Herzens, wie Pascal es nannte, ist unhintergehbar.

Wenn man von innen her berührt wird, ist das eine Ein-Gebung, mit der die Einfälle kommen, die plötzlichen Ideen, die ganz unerwartet in einen einfallen. Es ist mir gerade wiedergekommen, sagt man – aber woher ist die Eingebung gekommen? Ahnungen steht im Deutschen in Verbindung mit der Präposition an im Sinne von: Es kommt mich an, es ahnet mir.

Welche Rollen spielen Ahnungen in unserem Leben – und bei unserem Umgang mit Informationen?

PATINA. DIE ZUKUNFT DER ENDLICHKEIT

30′

Wenn in einer Gesellschaft der Markt im Mittelpunkt steht, geht es nicht mehr um den Gebrauchswert der Dinge, sondern um deren Erwerb. Aus diesem Grund hat sich die Konsumgesellschaft zur Wegwerf- und Vermüllungsgesellschaft gewandelt. Ihr melancholisches Antidot ist die Patina, in der sich das Bedauern über diesen Skandal ausdrückt. Patina träumt vom lebenslangen Gebrauch über Generationen hinweg und opponiert so gegen die Vergottung des Neuen, dessen einzige Qualität im Verlust besteht: dem Verlust des Alten. Darin finden wir die geheime Botschaft der Patina, die natürlich ihrerseits längst in den Markt eingepreist ist.

Versteht man unter Konsum nicht den Erwerb, sondern – im zutreffenden Sinn – den Verbrauch bzw. Verzehr von Gütern, dann sind die Verhältnisse, in denen wir leben, gerade nicht die einer Konsumgesellschaft, weil eine solche den Gebrauchswert ihrer Produkte respektieren und bewahren würde, statt sie als Müll zu entsorgen. Mit der Patina wird daran erinnert, dass es einmal eine Welt gegeben hat, deren Konsumgüter nicht auf Anhieb zu potentiellem Müll degeneriert wurden – und daran, dass unsere Zukunft, wenn überhaupt, in genau dieser Vergangenheit liegt.

STAUB. DIE MELANCHOLIE DER DINGE

30′

Staub ist der Teil der Materie, der unerwünscht ist. Er wird von Putzkolonnen und mit Staubtüchern energisch bekämpft. Er ist einerseits allgegenwärtig, andererseits ist kaum etwas so flüchtig wie Staub. Er kommt mit Stürmen von weit her, überdeckt Landschaften, Städte und kriecht in jede vermeintlich noch so dicht abgeschlossene Ritze.

Staub ist die kleinste Einheit sichtbarer Materie, alles besteht aus Staub und wird wieder zu Staub zerfallen. Staub war und ist Gegenstand von Diskussionen, Symposien und Abhandlungen.

Staub ist nicht nur ein Gleichnis der Welt, sondern Staub gehört in philosophischer Sicht ja zu den sogenannten letzten Dingen, denn er ist ganz materiell der Rest, der vor den Prozessen der Auflösung von größeren Einheiten auch Zeugnis ablegt.

Daniel Gethmann

Aus der Sicht des Universums ist unsere Erde ein Staubkorn, aus der Perspektive einer Staubmotte gestaltet sich ein für das menschliche Auge kaum sichtbares Staubkorn zu einem wahren Brocken. Alles eine Frage der Proportion.