SPAM POETRY. Sex der Industrie für jeden. mikrotext 2013

Thomas Palzer Spam Poetry

Als „Spam Poetry“ versucht sich eine weitere digitale, aus den Vereinigten Staaten stammende Neuerung der Lyrik zu behaupten. Der Münchener Autor Thomas Palzer hat im E-Book-Verlag mikrotext nach Themen geordnete Junkmails publiziert: „Wir laden Sie auf unsere Webseite ein: Wenn Sie unseren Newsletter abbestellen möchten, klicken Sie bitte.“ Palzer behauptet, Spam sei literarisch interessant, weil es sich vieler Textsorten bediene. Ob man Spam als Literatur im weiteren oder als Lyrik im engeren Sinne begreift, ist vielleicht abhängig von der Weite oder Enge des eigenen Literatur- und Lyrikbegriffs. Ich schließe mich hier dem Herausgeberteam des Lyrikportals karawa.net an, das mir schreibt: „Wenn der Begriff des ,Digitalen‘ Konsens für ein fortschrittliches Literaturverständnis zu werden droht, ist es selbstredend poetische Pflicht, ihn als solchen zu sabotieren.“

Elke Heinemann in der E-Book-Kolumne E-Lektüren, FAZ 5.12. 2015
Thomas Palzer Spam-Poet
Schriftsteller und Spam-Poet Thomas Palzer liest Spam

Die erste Massenwerbe-Mail wurde 1978 verschickt. Wer aber als erster angefangen hat, daraus Spam Poetry oder auch Spoetry zu machen, weiß niemand. Einer der frühesten Hinweise darauf findet sich auf der Webseite Satirewire. 2000 kürte die Seite gelungene Gedichte, die Autoren aus Spam-Mails kreiert hatten. Seitdem versuchen immer wieder Menschen, den Müll der digitalen Gesellschaft zu Literatur umzuformen.

Viele von ihnen kommen aus englischsprachigen Ländern. Aber auch in andere Sprachen übersetzte Nachrichten haben ihren Reiz. Findet zumindest Thomas Palzer. Ihn fasziniert Spam besonders, wenn die Nachrichten voller Fehler sind, wenn die Grammatik nicht stimmt oder ein Wort nicht passt, sodass der Sinn des Satzes sich verändert. Das passiert bei Spam-Mails häufig, weil Programme die Texte automatisch übersetzen.

Zwei von Palzers liebsten Beispiele stammen aus einer Werbung für das Potenzmittel Viagra: “Speichern Sie Ihre Ehe!” und “die Frauen in der Begeisterung”. In diesen Fehlern steckt unfreiwillige Komik: “Das sagt doch mehr aus, als wenn die Sätze korrekt wären”, findet Palzer.

Susanne Dickel in der Deutschen Welle