FIRST CONTACT. WAS, WENN DIE ERDE BESUCH BEKOMMT

First. Contact. Was wenn die Erde Besuch bekommt
Feature von Thomas Palzer.

Mit der Planetenforscherin Daniela Tirsch, der Astrophysikerin
und -biologin Barbara Stracke, dem Exopolitiker Robert Fleischer – sowie Johannes Geldhaus und Markus Frank vom Weltraumlage-Zentrum der Luftwaffe, Uedem und dem Korrespondenten des Bayerischen Rundfunks, Oliver Bendixen.
Die Nachrichten sprach Thorsten Schröder.
Sprecher: Katja Bürkle und Christian Baumann
Moderation: Birgit Frank
Regie: Martin Heindel
Redaktion Ulrike Ebenbeck

prix-europa-2016

Die NASA ist davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren extraterrestrisches Leben entdeckt werden wird – und mit ihr sind es die meisten Naturwissenschaftler und die Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Aber werden wir außerirdisches Leben überhaupt als solches erkennen können? Und was bedeutet seine Existenz, wenn es denn existiert, für uns – für die Stellung des Menschen im
Kosmos?

Im Oktober 1997 gestartet, untersucht die Cassini-Sonde seit elf Jahren den Saturn und seine Monde. Und inzwischen hat er auf den Monden Io, Europa, Titan und
Enceladus flüssiges Wasser entdeckt – in Form von gigantischen Ozeanen unter
einer dicken Eisschicht. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass demnächst dort
primitives Leben nachgewiesen werden kann – und der Unterschied zwischen
primitivem und intelligentem Leben ist bekanntlich nur eine Frage der Zeit.

Das Feature stellt sich dem Szenario, dass die Erde Besuch bekommen hat – von einer Sonde aus zweifelsfrei nicht-terrestrischer Hand. Was passiert, wenn wir entdecken
müssen, dass wir besucht worden sind – und von einer Sonde beobachtet werden,
die den Instrumenten ähnelt, mit denen wir ansonsten andere Planeten besuchen
und beobachten.

Wird das der so genannte First Contact sein – und: Was nun?

http://www.luftwaffe.de/portal/a/luftwaffe/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9nHK9_KJ0vbTSVCArOyW_AMzSDwfpSEnVS87PSy0BkSWpeSWZQDK9KLEkv0ivIL-oJAckU1pUBJTRy0zRjzQwdHEyMDOAAcMaC28zD-MoIwtzF0-nIP2C3FxHALS4mbw!/

http://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-10252/

 

Ein Re-model des Hörfunk-Features auf YouTube – a-legal bebildert.

 

Lothringer 13: Echo of Untouched Matter

Echo of untouched matter

15. Januar – 20. März 2016
Atsushi Wada
Jason Fulford
Katrin Petroschkat
Ryan Thompson
Shimabuku
Ulrich Gebert

Ulrich Gebert, UR (1286), 2015

Ulrich Gebert, UR (1286), 2015
Eröffnung 14.01.2016, 19h

Kurator: Jörg Koopmann

http://www.lothringer13.com/ausstellungen/echo-of-untouched-matter-2/

 

 

HANDZETTEL:

Echo_of_Untouched_Matter_01

 

Echo_of_Untouched-Matter_02

Verzettelt. Im Labyrinth der Wörter

© picture alliance / dpa / Peter Endig

Es gibt Wörter, für die es in anderen Sprachen kein Wort gibt.

Verzettelt. Im Labyrinth der Wörter
von Thomas Palzer
deutschlandfunk, 25. 09. 2015, 20:10 Uhr

mit Ute Frevert und Anselm Haverkamp

Regie: Claudia Kattanek
Ton & Technik: Wolfgang Rixius und Katrin Fidorra
Redaktion: Tina Klopp

Sprecher: Nikolaus Benda /Johannes Benecke /Olev Zhukov / und der Autor

Bücher bestehen aus Wörtern und Sätzen, aber in der Regel geht es in ihnen nicht um Wörter. Vielmehr geht es um die Geschichten, die erzählt werden. Bücher, in denen es explizit um Wörter geht, heißen Wörterbuch. Auch sie erzählen Geschichten – von dem Wissen, das in Wörtern gespeichert ist.

Von dem Bedeutungswandel, denen Wörter unterliegen; von der Art, wie sich in ihnen die Kunst der Benennung ausdrückt; von der Nährlösung, aus denen sich Begriffe kristallisieren – und vielem mehr. Es gibt Wörter, für die es in anderen Sprachen kein Wort gibt. Und es gibt Wörter, die gerade nicht wörtlich zu nehmen sind, sogenannte Metaphern. Für beides gibt es Wörterbücher. Das Wort Wörterbuch leitet sich ab vom griechischen lexikon oder biblion. In Wörterbüchern manifestiert sich der grundlegende Akt des Menschseins: das Übersetzen.

Audiolink

Sound and Vision

Es ist Ende April, halb zehn. In der Ferne das dumpfe Grollen des Pazifik. Kein Lüftchen weht, doch sind wenigstens die Temperaturen auf ein erträgliches Maß gesunken. Im Bus dagegen steht die Luft. Sara konnte ewig nicht einschlafen. Sie plärrte die ganze Zeit. Sie ist jetzt neun Monate alt, aber mit dem Geplärr wird und wird es nicht besser. Auf der Flucht vor ihm bin ich hier draußen auf dem nackten Feldbett neben dem Bus gelandet.

Eben noch klapperte Melissa mit den Töpfen. Inzwischen ist von ihr nichts mehr zu hören. Und Sara ist ebenfalls verstummt. O Wunder! Ich vermute, dass hat der Hexensaft vollbracht, von dem immer eine Notreserve im Kühlschrank ist. Kein Earth’s Best, sondern echter Guerilla-Eigenanbau. Bald nach der Geburt hat Melissa darauf bestanden, dass ich eine elektrische Milchpumpe besorge.

Wenn ich den Kopf wende, höre ich das Zirpen der Grillen, das landeinwärts die Nacht erfüllt. Als ich vorhin mit Blei in den Gliedern dalag und das Gefühl hatte, nur den kleinen Finger zu rühren wäre schon zu viel, erzeugte es in meinem Kopf ein dämonisches Muster, oszillierend und wabernd, als hätte ich meine Umgebung durch ein dickes gewölbtes Glas betrachtet.

Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, den Joint zwischen den Lippen, liege ich da und betrachte den Himmel, auch wenn es dort oben im Moment nicht viel zu sehen gibt. In mein Gesichtsfeld ragen vom Rand her die Silhouetten der Zapote-Bäume und Zedern. Dort, wo der Mond steht, sind die Wolken von hinten beleuchtet, was sie aussehen lässt wie ein großer, heller See, der zu einer anderen Welt
gehört. Durch das Gewebe der Liege hindurch spüre ich die tropische Hitze, die der Tag zurückgelassen hat und die sich zwischen mir und dem Lehmboden staut. Geduckt hockt sie direkt unter mir wie ein scheues, verängstigtes Tier und hofft darauf, dass sie nicht doch noch von der Dunkelheit gefressen wird.

Thomas Palzer Sound and Vision, S. 33

Soeben bei Luxbooks erschienen:
Gegend Entwürfe: Lesebuch für Literatur aus Rheinland-Pfalz

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Mit Ilija Trojanow, Marion Poschmann, Ken Yamamoto, Hans Joseph Ortheil, Ror Wolf, Nico Bleutge, Norbert Lange, Harald Martenstein, Nora Bossong u. a.

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Gegenwärtigkeit. Die Gestalt des Engels

 

 

 

Erzengel Gabriel von Guido di Pietro (ca. 1400 – 1455) @ imago / Leemage

Deutschlandfunk Essay und Diskurs, 22. 03. 2015, 09:30 Uhr

http://www.deutschlandfunk.de/gegenwaertigkeit-die-gestalt-des-engels.1184.de.html?dram:article_id=311441

Regie: Thomas Palzer

Redaktion: Barbara Schäfer

 

Das wissenschaftlich-rationalistische Denken versucht seit Jahrhunderten zu beweisen, dass Engel – die Boten – überflüssige, nicht notwendige Nicht-Wesen sind. Ein Aberglaube aus grauer Vorzeit. Philosophen und Dichter aber sehen das anders.

Der Rationalismus, der nur das akzeptiert, was sich in irgendeinem Sinn messen lässt verwechselt sein Modell mit dem, was von keinem Modell je ausgeschöpft werden kann – der Wirklichkeit selbst. Nicht alles, was wirklich ist, lässt sich auch messen. Deshalb könnte es sich bei der Negation des „Engels” durch die Naturwissenschaft ganz analog verhalten. Es ist möglich, dass die Leugnung der Engel nur das Negativ abgibt zu dem, was positiv betrachtet die Gestalt des Engels ausmacht.

Wer den Engel leugnet, behauptet im Grunde nur, dass er nicht in unser Raum‑Zeit‑Kontinuum passt. Er passt nicht zwischen die Planeten, Sonnen, Asteroidengürtel und Galaxien. Engel lassen sich nicht wiegen oder der Höhe, Breite und Tiefe nach vermessen. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass es keine Engel gibt. Es heißt nur, dass die Ausdehnung unseres Universums nicht gleichbedeutend ist mit: Wirklichkeit – Wirklichkeit geht über das physikalische Raum-Zeit-Gefüge weit hinaus. Wenn die Engel von Wim Wenders die Menschen von exponierter Stelle aus beobachten, dann heißt das, dass sie die Menschen von einem Außerhalb betrachten, von außerhalb des Einstein’schen Raum-Zeit-Gefüges.

Nachtwärts

Thomas Palzer Nachtwärts

Sie saßen am Fenster, einander gegenüber, jeder vor dem Schmetterlingstisch, den man aus der Armlehne hervorklappen konnte. Nach einem uneinsichtigen Plan hatten sie verschiedene Gegenstände darauf ausgebreitet, vor allem ausreichend Lektüre und natürlich Lakritzschnecken, die ohne die Bücher keinen Sinn ergaben. Beide waren sie manische Leser. Wie die meisten von uns wurden sie vom Sichtbaren nicht zufriedengestellt.

Der Münchner Autor und Filmemacher Thomas Palzer verarbeitet in seinem neuen Roman “Nachtwärts” seine ganz persönliche Leerfahrt. Das gespenstische Gefühl, in einem leeren Zug zu sitzen, ohne dessen Ziel zu kennen, hat er vor einigen Jahren selbst erlebt. Hoch sensibel für die Gefühle und Ängste Heranwachsender, verbindet Palzer diese Begebenheit mit einer leider alltäglichen Familiengeschichte. Es ist die Erzählung vernachlässigter Kinder, die nach Liebe schreien, indem sie sich entziehen – oder, wie in diesem Fall, selbst entführen. Mit der verbotenen Liebe, die Finn zu ihrem Entführer aufbaut, behandelt der Autor aber noch eine weitere Ebene, die nicht dem naheliegenden Stockholm-Syndrom folgt. Es geht vielmehr um die konfliktreiche Emanzipation der Tochter von ihrem Vater und die Entdeckung der eigenen Sexualität.

Im Juni 2014 auf Platz 2 der SWR Bestenliste

Eine besonders perfide, albtraumhafte Ausgangssituation hat sich auch Thomas Palzer, der in München lebende Schriftsteller und Filmemacher, ausgedacht. In Nachtwärts erzählt er von einer Entführung, die sich die Hauptperson seines neuesten Romans ausgedacht und geplant hat – für sich selbst. Allerdings sollte jeder, der so etwas vorhat, sich seinen Überltäter vorab lieber ganz genau auswählen.

Stefan Weiss am 27. 02. 2014 in derSüddeutschen Zeitung

Thomas Palzer pflegt einen bedachtsamen Erzählstil mit bewundernswerter Detailsorgfalt. Unterwandert wird der Fortgang von vielschichtigen Erinnerungen, kurzen Anekdoten und abenteuerlichen Träumen. Paralysierende Halluzinationen werden gegen die Realität in Stellung gebracht … Manchmal erzählen erdachte Figuren etwas über die Wirklichkeit, das die realen Menschenkinder nicht auszusprechen wagen. Wie die Akteure im Nachtwärts-Drama. Für das Geschwisterpaar wird der Roman zur Initiation, auch der sexuellen. Für die Erwachsenen zu “einer Reise ins Unbekannte, ins Herz der Finsternis, in das, was nicht ausgeleuchtet ist”. So endet der Roman in einer erschütternden Generalbeichte. Palzers Sprachkamera zeigt Gedanken und Gefühle in Großaufnahme. Mitunter sehnt man sich nach einem Buch wie diesem, das anmacht, weil es ungekünstelt und unwiderstehlich ist. Auch weil es noch dazu eine sinnstiftende Weisheit spiegelt: Solange du lebst, wirst du dich nie von dir selber trennen können.

IN München 4/2014

Es gibt noch einen Fahrgast, einen professionellem Schwarzfahrer und Opiumhändler, der sich Prinz nennt. Solche Leerfahrten der Deutschen Bahn gibt es wirklich. Als Thomas Palzer davon hörte, beschloss er eine neue Version seines Lieblingsbuches Kinder der Nacht von Jean Cocteau zu schreiben und sie auf diese fantastische Fahrt zu schicken. „Kinder erleben eine Welt auf ihre Weise, die oft völlig von der Erwachsenenwelt abgeschlossen ist“, so der gutaussehende Münchner Autor, ein gelernter Philosoph und Filmemacher. Laurens, seine Schwester Finn (von Josephine), eine Anspielung auf Huckleberry Finn, und der geheimnisvolle Prinz fassen den Plan, eine Entführung vorzutäuschen und den Reeder zu erpressen. Sie fahren nach Wien und rauchen Opium. „Der Tschandu verändert die Wahrnehmung. Alles erscheint überhell, extrem scharf, gesteigert. Es ist ein merkwürdiger, zwitterhafter und äußerst tyrannischer, der von ihr Besitz ergriffen hatte, ein Zustand, der einerseits der ihre war, andererseits aber das Außen um sie herum betraf, als spalte ein tiefer Riss die Welt.“ Die Geschichte ist in solchen, hier zufälligerweise ausgesuchten, schönen, geraden Sätzen erzählt. Absolut lesenswert.

Heinz Neidel am 2. Juni 2014 in denNürnberger Nachrichten

Nachtwärts fängt mit einem bestechenden Plot an, ein bisschen ist man in einer Tschick-ähnlichen Geschichte drin. Doch was Thomas Palzer aus der Irrfahrt zweier jugendlicher Geschwister macht, die aus Versehen (?) in einem leeren Zug landen, der sie nicht wie beabsichtigt nach Paris, sondern via München nach Wien bringt, geht in eine andere Dimension. Verrat, Initiation, Misstrauen und Unsicherheit prägen den Fortgang der dunklen und unheilvollen Geschichte, angereichert noch durch schräge Gestalten und bizarre locations – ein überraschendes Leseerlebnis. Eine Entdeckung!

Fräulein Magazine

Einfühlsam, nachvollziehbar und offen erzählt Thomas Palzer in Nachtwärts aus der Sicht zweier Jugendlicher, denen es im Leben an nichts fehlt und doch an so vielem. Spannend wie ein Krimi liest man über den undurchsichtigen „Prinzen”, die Gefühle der Geschwister und die Probleme des Reeders. In häufig wechselnden Perspektiven erhält man ein vollständiges Bild der Situation. Aus der Nebenfigur Finn wird schließlich die zentrale Figur, die sich vom Vater löst, indem sie sich einen Ersatz für ihn sucht. Nachtwärts ist eine gleichzeitig spannende und sensible Geschichte über das Erwachsenwerden und die Schwierigkeiten von Jugendlichen, die trotz aller Möglichkeiten, die ihnen offen stehen, dennoch auf sich selbst gestellt sind.

Bücherpunkt Blaubeuren

Leselink

Nachtwärts Thomas Palzer

Literaturportal Bayern
Im Gespräch mit Fridolin Schley: der Schriftsteller Thomas Palzer
Über Realität

Das kommende Buch

Das kommende Buch. Essay. Matthes & Seitz MSeB 2013
Das kommende Buch. Essay. Matthes & Seitz MSeB 2013

Großverleger prophezeien den Untergang der Verlage, die Piraten reklamieren den Untergang der Verlage, Amazon forciert den Untergang der Verlage. Wie sieht die Zukunft des Buchs aus, wenn es groß angelegte epische Serienprojekte wie “The Wire”, “Game of Thrones”, “Sopranos” und “Breaking Bad” gibt, um unseren Hunger nach guten Geschichten zu stillen? Gibt es einen signifikanten Distinktionsgewinn durch eBooks? Lassen sich Klassiker wie Joyce’ “Ulysses”, Manns “Zauberberg” auch digital verstehen? Klar und illusionslos beschreibt Thomas Palzer in diesem grundlegenden Essay das Wesen der Autorschaft und des klassischen Buchs sowie die grundlegenden Veränderungen, denen sie unterworfen sind.

Palzer ist Verfasser anspruchsvoller Essays von hoher ästhetischer Qualität.

Wikipedia 2015

Spam Poetry

Thomas Palzer Spam Poetry

Täglich landet in meinem Junk-Ordner „Spam“ – jene merkwürdige Form von elektronischen Postwurfsendungen, die dem Internetzeitalter zu verdanken ist. Anfangs habe ich die zum Teil grotesken Mails amüsiert zur Kenntnis genommen, dann wurden sie mir lästig. Es ging immer um dasselbe: um billiges Viagra, billige Rasenmäher, um angeblich extrem einträgliche Geldgeschäfte, um Tresore und Markenuhren zum Schleuderpreis oder um Gewinne, die man sich über die Lose fremder Menschen, die dafür bezahlt hatten, erschwindeln konnte. Ich ärgerte mich über den Schwall Bescheuertheit, mit dem ich mich täglich zu beschäftigen hatte, auch wenn ich die Mails nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr zur Kenntnis nahm. Ich musste dennoch mit ihnen Zeit verbringen, denn ich musste sie ja zumindest löschen. Das nervte.

Vor einiger Zeit kam ich daher auf die Idee, den umgekehrten Weg einzuschlagen und das Zeug bewusst zu sammeln. Bald hatte sich auf meiner Festplatte eine gigantische Menge Text angehäuft. Bei der oberflächlichen Durchsicht wurde mir klar, dass ich es hier mit einer gegenwärtigen Form der écriture automatique zu tun hatte
– mit der Renaissance einer literarischen Technik, wie sie von deren Erfindern vor gut einhundert Jahren nicht vorherzusehen gewesen war. Automatisches Schreiben, das insbesondere die Surrealisten progagierten, nutzt die freie Assoziation, es geht dabei um das unzensierte Festhalten von Bildern, Sätzen, auch fehlerhaften. Das öffnete mir die Augen. Nun las ich die Texte völlig anders. Ich begriff, dass ich es mit einer Literatur zu tun hatte, wie sie ausschließlich von robotisierten Übersetzungsprogrammen geschaffen werden konnte.

Interview und Mini-Lesung im BR Zündfunk

Rezension der Deutschen Welle
Wie aus digitalem Müll Poesie wird

Schriftsteller und Spam-Poet Thomas Palzer liest Spam
Schriftsteller und Spam-Poet Thomas Palzer liest Spam

Futur Perfekt

Ich sage: Sackgassen, Satellitenschüsseln, Kreisel. Glasbausteine.
Wird es auch in Zukunft geben.
In der nächsten und übernächsten Generation.
An der Stirn der Doppelgaragen: Basketballkörbe.
Wird es geben.
Kopfsteinpflaster: wird es geben, Ungeschicklichkeit und Namensschilder.
Krawall, Fehlplanung, Monitoring.
Kofferbomber. Langeweile.
It-Bags.
Auch die Peripherie wird Bestand haben. Die Banlieue. Der Dreck.
Wird, wie überall, überall sein.
Wasser wird dagegen nur rationiert ausgegeben.
An öffentlichen Brunnen.
Und in Supermärkten. Aber die wird es nicht mehr geben.
Stattdessen: Riesige Brühwürfel. Auch in den engen Gassen der Altstadt.
Siehst Du sie auch?
Falls Du hundert Jahre alt wirst, wirst Du sie sehen.

Futur Perfekt. Hörspiel von und mit Thomas Palzer / BR 2010 / Länge: 6’13 //

© Annette Hempfling

Die Redaktion Hörspiel und Medienkunst lud 17 zeitgenössische deutschsprachige Autorinnen und Autoren ein, sich dem Alltag der übernächsten Generation zu widmen und ein Bild von Deutschland und der Welt in rund 80 Jahren zu entwerfen.

Deutschland 2089 -: 17 Szenarien aus der Zukunft – Von Georg M. Oswald, Thomas Pletzinger, Thomas Palzer, Françoise Cactus u.v.a.
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Das Hörspiel ist ursprünglich aus einem Text hervorgegangen, der für ein Projekt des Fotografen Thomas Dashuber konzipiert war:

Endstation. Bilder vom Rand der Großstadt
Thomas Dashuber hat die Endstationen der Münchner U-Bahnlinien bereist und eine Szenerie festgehalten, die man so gar nicht mit mit dem blankpolierten München verbindet. Eine Audioslideshow.
Thomas Palzer hat für die Audioslideshow auf sueddeutsche.de einen Essay über die Vorstadt geschrieben, der Dashubers Bilder stimmungsvoll untermalt. Sehen Sie selbst!

FUTUR PERFEKT

http://Thomas Palzer / BR 2010 / Länge: 6’13 // Die Redaktion Hörspiel und Medienkunst lud 17 zeitgenössische deutschsprachige Autorinnen und Autoren ein, sich dem Alltag der übernächsten Generation zu widmen und ein Bild von Deutschland und der Welt in rund 80 Jahren zu entwerfen.

© Thomas Palzer / BR 2010 / Länge: 6’13 //

Die Redaktion Hörspiel und Medienkunst lud 17 zeitgenössische deutschsprachige Autorinnen und Autoren ein, sich dem Alltag der übernächsten Generation zu widmen und ein Bild von Deutschland und der Welt in rund 80 Jahren zu entwerfen.

ARCANA EINS:

ZUKUNFT WIRD GEWESEN SEIN

– Ein Spiel: Mach die Augen zu und sag was. Sag, was Du

siehst. Sag? Sag irgendwas. Augen zu und sag was.

– Ich schließe die Augen. Ich sehe nichts. Es ist schwarz.

Nacht. Gestalten. Ich sehe Lichter. Eine Universität. Ich

laufe durch menschenleere Flure. Ich sehe zwei Studentinnen

in einem noch leeren Vorlesungssaal Geheimnisse austauschen.

Sie reden über die Zukunft. Was aus ihnen werden soll. Wie

sie sich ihr Leben vorstellen. Wie es werden wird. Falls es

wäre.

ARCANA ZWEI:

GEGENWART WIRD IN DER ZUKUNFT ZUM TRAGEN GEBRACHT WORDEN

SEIN

Einer sagt: Die Flüsse werden über die Ufer treten und

Inseln verschwinden. Ein anderer: Europa wird weiter Rich-

tung Osten schmelzen. Mancher: Das Mittelalter wird zurück-

kehren. Nur sehr wenige werden in Zukunft lesen und

schreiben können.

Mönche, Minderheiten, Majuskeln.

Sagt einer.

Ich sage:

Sackgassen, Satellitenschüsseln, Kreisel. Glasbausteine.

Wird es auch in Zukunft geben.

In der nächsten und übernächsten Generation.

An der Stirn der Doppelgaragen: Basketballkörbe.

Wird es geben.

Kopfsteinpflaster: wird es geben, Ungeschicklichkeit und

Namensschilder.

Krawall, Fehlplanung, Monitoring.

Kofferbomber.

Langeweile.

It-Bags.

Dreck.

Auch die Peripherie wird Bestand haben. Die Banlieue. Der

Wird, wie überall, überall sein.

Wasser wird dagegen nur rationiert ausgegeben.

An öffentlichen Brunnen.

Und in Supermärkten. Aber die wird es nicht mehr geben.

Stattdessen: Riesige Brühwürfel. Auch in den engen Gassen

der Altstadt.

Siehst Du sie auch?

Falls Du hundert Jahre alt wirst, wirst Du sie sehen.

Zerwürfnisse wird es geben, Ermüdung und strahlende

Sieger.

Lose, Lotterien, Lotto.

Zusammengehalten von Lassoband.

Constanzes wird es geben, bin ich sicher.

Völkerwanderungen.

Mehrheitsbeschlüsse.

Ungesüßtes Obst.

Nicht mehr geben wird es Stadtverwaltungen, von ihrem

Vorrecht Gebrauch machend, Straßen und Plätze der

Trabantenstädte (hier: Weilheim, Neuenhagen und Kelsterbach)

in ein Sterberegister der Lokalpolitik zu verwandeln, der

vergangenen Kämmerer, Einpfleger, Fahrscheinkontrolleure und

Lokalasservatoren.

Evangelische Messen – wird es geben.

Keine Beichten, kein Tierfutter,

Bürgermeister, Finanzinspektoren, Oberregierungsräte und

andere Vertreter der höheren Besoldungsgruppen –

abgeschafft.

Henker wird es noch geben.

Steckdosen wird es geben.

Kein Facebook.

Falls wir hundert oder gar hundert fünfzig Jahre alt

werden, werden wir ohne Facebook auskommen müssen.

Kleine Horden verwilderter Alter, denen die Jungen die

Rente gepfändet haben, werden durch die Ruinen der

Biotech-Fabriken ziehen – Ruinen, die den Übergang von der

Stadt zum Land (hier: Weilheim, Neuenhagen und Kelsterbach)

markieren – neben hochgeistig-gelben Rapsfeldern,

Wertstoffhöfen, in bunten Scherben badenden

Altglascontainern, ausrangierten Fernsehsendern und debilen

Möbelhäusern.

Die Reihenhaus-Kolonien werden verwaist sein und beim

Anflug geplünderten Vogelnestern gleichen. Nicht einmal

Werbung wird hier durch die Türschlitze geworfen werden

wollen.

Werden wollen.

Politik? An den Küsten Pakistans abgewrackt.

Der Blödsinn des Kämmens – erkannt.

Kunst wird diktieren. Poeten werden auf den Thronen

türmen.

Man wird frei durchatmen können.

Was kriechen wird, ist das Volk, der Schwarm, die

Struktur.

Plebs, Mob.

Unterschichten.

Davon wird man nichts kaufen können.

Der Rest wird sich den schönen Dingen zuwenden.

Dem Volltanken, Sattfressen, Videos schlucken.

Teppichstangen, an denen Menschen hängen, die sich erhängt

haben. Wird ihr Geheimnis bleiben.

Argumentenbäume. Perspektivisch verkürzt drehen sich die

Toten an den Ästen wie in einem magischen Spiegel.

Immer der Nase nach.

Mein himmlisches Kind.

Hörst Du den Wind auch?

Du wirst ihn hören.

Russische Puppen wird es noch geben, aber die Russen sind,

falls Du hundert Jahre alt wirst, längst weggezogen. Der

Krieg ist lange her.

Dazwischen dann immer mal wieder Schaukästen mit

herabgelassenen Jalousien oder leere Pappschilder, auf denen

vor Jahrzehnten (Jahrhunderten?) Wahlplakate klebten und die

nun, nach langen Jahren der Nutzlosigkeit, den

Laternenmasten aus Langeweile in die Zange nehmen.

Seltsame Welt hinter der Kante der Gegenwart.

Nähert sich aber, nähert sich.

Seit Jahren leben wir dort – über den Bergen, jenseits den

Zwergen – in Wohnwagen. Uns geht es nicht schlecht. Etwas

mühsam das tägliche Wasser holen am Markt.

Überall stinken vergammelte Podcasts zum Himmel.

Vom Rückfenster aus sehe ich, den Kopf von der fleckigen

Matratze hebend, über den Soldatenfriedhof auf eine ferne

Hollywoodschaukel.

Hollywoodschaukel.

Vielleicht werde ich sie mir näher ansehen.

In fünfzig oder hundert Jahren.

Ein Vorhängeschloss, das verhindern soll, dass man sie

stiehlt. Dabei lebt in dieser Gegend kaum einer mehr. Und

wie es aussieht, wird auch nie wieder einer herkommen

wollen.

Werden wollen.

Hollywoodschaukeln werden schaukeln bleiben.

ARCANA DREI:

ZUKUNFT WIRD GEGENWART GEWESEN SEIN

Aus Sozialpolitik wird keine Politik!

Rentner, dass es kracht.

Überall Hochwasser.

Berge des Wahnsinns.

Der Wind pfeift durch die Ritzen.

Deutschland war einmal.

Du wirst es nicht sein.

Berlin – dreigeteilt: Eins für die Punks, eins für die

Erben von Joop, eins für die Kassen.

Vorwände gibt es nicht mehr.

Lügen, Verdrehungen, faule Amtsgeheimnisse – das ist das

Tagesgeschäft.

Tagesgeschäfte – abgeschafft.

Die Renaissance? Abgedankt. Kein Mensch nirgends.

Was es gibt, gibt der Staat.

Strom für alle.

Rente bis 130 (Richtgeschwindigkeit).

Care-Pakete.

Notgroschen – und das nicht zu knapp!

Flatrate. Langsam abzustottern.

Daneben werden sich sämtliche Türen in die Gegenrichtung

öffnen lassen müssen.

Metaphysik wird in kleinen, nummerierten (entmagneti-

sierten) Münzen ausbezahlt.

Ganz sicher wird man in Fahrtrichtung aussteigen werden.

Arschgeweih hochhalten.

Gründe werden reihenweise absaufen.

Philosophie wird nicht mehr helfen.

Nicht Chemie, Notfallchirurgie, Blasphemie.

Die Zukunft wird RUHMVOLL oder sie wird nicht sein.

Elefantenrunden, Rucksackbomber, Castingshows.

Die werden nicht aufgeben.

In jeder Ecke: Parallelgesellschaften.

Alle werden über alle regieren – ein hübsches Chaos.

Ach.

O weh.

Futur zwei.

Eins.

Meinten sie

AUS

VIER:

ORAKEL

– Ein Spiel: Schließe die Augen und sag, was Du siehst, Sag.

– Ich sehe einen Tennisball.

Eine Zeit lang läuft er über die Netzkante, ohne zu er-

kennen zu geben, auf welche Spielfeldseite er schließlich

fallen wird.

Dass die Zeit viel mehr Dimensionen besitzt als ein

Tennisball, macht sie zu keinem.