„Capriccio“ (Bayern) besitzt mit Thomas Palzer einen der besten, besonders auch popkulturell versierten Journalisten, dessen Essays durch Einfallsreichtum, Eigenwilligkeit und Brillanz zu begeistern wissen. Bisweilen können Palzers Beiträge auch in „Kulturzeit“ (werktags zur besten Sendezeit um 19:20 Uhr auf 3sat) gesehen werden. Von allen Magazinen liefert dieses zweifelsohne die vielfältigste und eine politisch „unangepasste“ Berichterstattung.
Buch + Regie: Thomas Palzer. Kamera: Werner Schmidke. Ton: Olaf Krohn, David Heinemann. Schnitt: Isabelle Allgeier. Redaktion: Martina Zöllner. Produktion: Kick Film GmbH. Produzent: Jörg Bundschuh. Länge: 60 min. Vertrieb: Kick Film GmbH
Auszug (Server: Universität Graz)
https://youtu.be/Z1bCXeXgFK4
Meine liebe Hannah! / Willst Du diesen Sonntag Abend (19. VII.) zu mir kommen? Ich lebe in der Freude dieser Stunden. Komm gegen 9 Uhr! Wenn freilich die Lampe in meinem Zimmer brennt, dann bin ich durch eine Besprechung abgehalten. In diesem – unwahrscheinlichen – Fall komme am Mittwoch um dieselbe Zeit. Dienstag habe ich leider Graeca. Wenn Du kommst, bring den Zauberberg II mit, falls Du ihn zur Verfügung hast. In den Tagen, als ich nicht arbeiten konnte, habe ich Band I in einem Zuge gelesen. Freilich müßte man das Buch ‚studieren’. Ich bin sehr beladen mit Examens- und Sitzungs- und Gutachtenkram und mehr Beamter als Mensch. Umso mehr freue ich mich auf ein Ausruhen mit Dir. Dein M.
Brief Martin Heideggers an Hannah Arendt am 17. Juli 1925
Von weit her kommt sein Denken, von Heraklit und Platon, aus Griechenland – er selbst kommt aus dem Schwarzwald. Heidegger – das ist der Name für eine lange und verwickelte Geschichte. Eine Geschichte, in der sich auch das Unglück der Deutschen wiederfindet. Als junger Philosoph in Marburg liebt er eine jüdische Studentin. Später woird sie so berühmt wie er. Ihr Name: Hannah Arendt.
Martin Heidegger – der Name steht für Radikalismus und Provinzialität. Heideggers Verwicklungen in der Zeitgeschichte machten ihn zu einem der umstrittensten Denker des vergangenen Jahrhunderts. Eine Geschichte, in der sich auch das Unglück der Deutschen wiederfindet. Als junger Philosophieprofessor aus dem Schwarzwald verliebt er sich in eine jüdische Studentin, Hannah Arendt, die “Passion seines Lebens”. Das Dritte Reich begrüßt er, er möchte den Führer – Adolf Hitler – führen. Trotz allem ist Martin Heidegger in der heutigen Philosophie präsent wie kaum ein anderer – auf der ganzen Welt. Ein Film über das widersprüchliche Leben des großen Denkers, der so radikal wie kaum ein anderer die Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz gestellt hat.
1966 wurde der Philosoph Martin Heidegger von dem Spiegel-Journalisten Rudolf Augstein interviewt. Darin äußerte sich der öffentlichkeitsscheue Heidegger erstmals zu seinem Verhältnis zum Nationalsozialismus. Der Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister beschäftigt sich in seinem Buch mit der Frage, wie es dazu kam.
Rezension: Lutz Hachmeister Heideggers Testament. Der Philosoph, der Spiegel und die SS. Berlin 2014: Propyläen
Karl Bruckmaier beschreibt den Autor Thomas Palzer als Alleinunterhalter, wobei er damit jemanden verstanden wissen will, der sich mit sich selbst unterhält. Er zeigt sich in seiner kurzen Besprechung des Bandes mit Essays und Prosatexten ziemlich angetan von den dem Paradoxon verpflichteten Texten, wobei er es besonders zu schätzen weiß, daß der Autor ohne erhobenen Zeigefinder schreibt und es Palzer zudem überhaupt nicht stört, Thesen zu vertreten, von denen er ein paar Seiten später schon wieder das Gegenteil behauptet. Den Text über den Anschlag vom 11. September preist der Rezensent überwältigt als das Tiefste, das über dieses Thema geschrieben worden ist und deshalb verzeiht er Palzer auch den mitunter überhand nehmenden Sophismus seiner Prosatexte.
Süddeutsche Zeitung (revisited von Perlentaucher.de)
Joseph Beuys war der Mann mit dem unvermeidlichen Filzhut. Den trug er wie einen Heiligenschein aus Filz. Und dieses einprägsame Bild wiederum hat Beuys zur Ikone gemacht – zur Ikone für den berühmtesten und umstrittensten Künstler im Nachkriegsdeutschland. Sein Wirken ist nicht nur legendär, er selbst hat auch kräftig an eigenen Legenden gesponnen.
1921 in Kleve geboren, gilt Beuys‘ Interesse zunächst den Naturwissenschaften. Nach dem Abitur durchläuft er bei dem Tierfilmer Heinz Sielmann eine Ausbildung zum Bordfunker. 1944 wird er, während eines Einsatzes auf der Krim, in seiner StuKa abgeschossen. Tartaren wickeln den Schwerverletzten in Filz und salben ihn mit Fett – ein Erlebnis, das für Beuys zur Initiaton wird (oder von ihm zu einer solchen gemacht) – dafür, Künstler zu werden und Fett und Filz zu den Betriebsstoffen seiner Kunst zu erklären.
Buch und Regie: Thomas Palzer. Kamera: Birger Bustorff. Ton: Til Löschner. Schnitt: Isabelle Allgeier. Redaktion: Martina Zöllner
1961 wird Beuys zum Professor für Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf ernannt – gegen den Willen seines Lehrer Ewald Mataré. Daneben widmet er sich Fluxusaktivitäten, die ihn schnell bekannt machen. Hervorzuheben ein Happening in Aachen 1965: Nachdem ihm die Nase von einem aufgebrachten Studenten blutig geschlagen worden ist, ergreift Beuys ein aufblasbares Kruzifix und hält es dem Publikum demonstrativ vor die Nase – stilisiert sich in Sekundenschnelle zur Christusfigur. Ein Foto, das bald durch Deutschlands Presse kursiert.
Beuys nimmt an der documenta 4 teil. Im Zuge der 68er-Unruhen gründet er verschiedene Organisationen, die allesamt die Bekämpfung des Parteien- und sklerotischen Obrigkeitsstaates zum Ziel haben: Er ruft die Menschen zur radikal freien Selbstbestimmung auf. 1971 besetzt er wegen der katastrophalen Zustände an der Düsseldorfer Kunstakademie deren Sekretariat – und wird daraufhin von dem damaligen Wissenschaftsminister Johannes Rau fristlos entlassen. Aber sechs Jahre später muß die Obrigkeit eine Schlappe hinnehmen: Beuys wird rehabilitiert.
Inzwischen hat er – auf der documenta 6 – zusammen mit Heinrich Böll und Klaus Staeck die FIU gegründet – die „Freie Internationale Universität“, die seine politischen Aktivitäten bündelt. Folgerichtig kandidiert Beuys 1979 im Auftrag der Grünen für das Europaparlament. 1980 veranstaltet das Guggenheim Museum in NYC eine Retrospektive – die erste für einen lebenden Künstler. Damit beginnt Beuys’ Weltruhm.
Beuys gehörte zu den ersten, die auf das beginnende Zeitalter medialer Wirklichkeitsvermittlung reagierten. Er sah immer gleich aus, trug sein Outfit wie eine rasch wiedererkennbare Uniform – zum Beispiel eine Anglerweste. Wenn Petrus Fischer war, verstand sich Beuys als Menschenangler – als Hirte, Schamane, Künstlerpriester. Dazu paßt die Krim-Legende, deren Struktur den Heiligengeschichten von Moses oder Buddha ähnelt. Nach dem Tod Gottes hat sich Beuys zu einer dem Paradigma der Selbsterschaffung geweihten Christus- und Erlöserfigur stilisiert, hat das Künstler-Konzept des Genies mit einem Initationserlebnis verbunden und sich dadurch als „Sprecher des Menschengeschlechts“ legitimiert. Beuys, keine Frage, war ein „Messias in Filz“.
Wer Ohren für den Zeitgeist hat, der höre Zündfunk auf BR 2. Wer dies versäumt, kann zumindest die Beiträge Der unsichtbare Hosenträger — 5 Minuten Wohlstand für alle des 1956 geborenen philosophisch ausgebildeten Autors Thomas Palzer in überarbeiteter Form nachlesen. In 50 schnellen Seitenblicken auf die neunziger Jahre gibt er eine Kurzeinführung in die vorletzten Dinge, an die wir uns in dieser Endzeitlichkeit zu halten haben. So unübersichtlich das Nebeneinander der Stile und Moden, so rasant deren Verbrauch — höchste Zeit zu begreifen, daß es nicht mehr auf die letzten Dinge ankommt, sondern auf die nächstliegenden: etwa auf die Shampoo-Flasche am Badewannenrand. So schreibt der Autor über Kino und Lotto, Essen auf Rädern, Buß- und Bettag, Lyrik und Claudia Schiffer, Waschsalon und Rauchen in der Kirche. Sein kulturkritischer und aufklärender Blick macht vor nichts halt und hält nirgends inne. Flott zappen wir mit ihm über Felder, die den Herren Benjamin, Kracauer und Adorno wohl einmalig heilig gewesen sein müssen.
Die 17 sparsam arrangierten Songgedichte erzählen auch von einem Nord-Süd-Gefälle des deutschen Poparbeitertums, einer Demarkationslinie, die den preußisch-hanseatischen Norden vom eher barocken Süden trennt. Süden ist aber auch Vaudeville, Sumpffieber und Alabama-lama-100. In einem Song wie ,Windjammer Jam’ ist das Murmeln der Fürbitten in das Call & Response-Schema von Gospel und Blues übergegangen, und von da aus darf noch einmal etwas Ritual in das vorausgesetzte Reich der Zeichen eindringen.
Calle 3:13 / Meßbuch 3:58 / Windjammer Jam 4:05 / Realitätsprinzip II 2:55 / Superkomisch 3:50 / Sie ist Mist 4:20 / Zinnbecher II 2:55 / Luna Park 2:39 / REM 4:40 / Navy Cut 5:30 / Spätes Mädchen (Ich bin schon fast 40) 4:32 / Volume 4:20 / Nachmittag eines Fauns 2:25 / Strohfeuer 2:25 / Schwarzer Atlas 4:05 / Status Quo 3:05 / Unterm Hut 3:05
Totalzeit: 62:02
Texte von Thomas Palzer
Musik von Stefan Wood
Aufgenommen in München, Sommer 1994 // Frühling / Sommer 1995 // Frühjahr 1996.
Gemischt bei Melnik @ Groovnik Studio, München, und Jens Ohly im Ohly Only Studio, Herbst 1995 / Frühjahr 1996
Gastgesang Sabine Gietzelt
Cover Michaela Melián
Titel Stéphane Mallarmé
Grafik Design: Hias Schaschko
Foto: Matthias Beckel
Nachmittag eines Fauns ist aus dem Hörspiel Journal intime, LP hervorgegangen, das der Bayerische Rundfunk am 7. Juni 1996 um 22:05 Uhr auf BR2 ausstrahlte. Produktion: Karl Bruckmaier. Dramaturgie: Christoph Lindenmeyer / Herbert Kapfer
Chansons – das sei „eine mindere Kunst für minderjährige Mädchen“ hat der Erfinder des Drei-Tage-Barts, Serge Gainsbourg, einmal gesagt. Recht hat er. Minderjährige Mädchen gibt es wieder genug, seit den französischen Poeten und Bürgerschreck das Zeitliche gesegnet hat – aber Chansons? Nein, all die Mädchen, die inzwischen nachgewachsen sind und unermüdlich weiter nachwachsen, und all die ewig minderjährigen Frauen wollte ich nicht länger mit sich allein lassen – auch wenn ich es in den Tagen, nachdem Gainsbourg gestorben war, als Poet und als Bürgerschreck noch längst nicht so weit gebracht hatte wie dieser, der im übrigen an dem Weg mitgebaut hat, der in Frankreich die Strecke zwischen Michèle Morgan und Charlotte Gainsbourg bemißt. Aber immerhin sah ich mich als den ersten Serge Gainsbourg in unserem Häuserblock. So beschloß ich, meinerseits an dem Weg mitzubauen, den Deutschland von Karin Dor zu Kristiane Backer zurücklegen würde. Doch was ist ein Chansonnier ohne Chansons? Jahre vergingen, bis ich mich endlich dazu aufraffte, mir die Texte zu schreiben, die mir zur Erfüllung des Berufsziels noch fehlten – und rief Stefan (Wood) an, der seinerseits James (Scannell) anrief – und schon wenige Wochen später waren die Sachen dank der beiden größtenteils zu Liedern gereift. Ich gebe zu – trotzdem ein bißchen spät: Ich bin mittlerweile schon fast 40 und Kristiane Backer ist schneller herangewachsen, als daß ich noch ihr Vater werden könnte – was ich sehr bedauere, denn ich hätte mich von ihr gerne dazu erwählen lassen. Das hört man den Liedern zweifellos auch an: Jedes für sich ist den minderjährigen Mädchen ein den Eltern verheimlichter Freund. Und verheimlichte Freunde sind, wie jedes minderjährige Mädchen weiß und wie jedes ewig ehemals minderjährige Mädchen sich problemlos erinnert, die besten. Erinnerungen also an Tage, wie es sie so nie gegeben hat. Chansons, die zusammen genommen den Augenblick beschreiben, aus dem ich gemacht bin. Schöner läßt es sich eigentlich kaum sagen.
Thomas Palzer, 1996
Pressetext: Wer kennte nicht seine eigene Plattensammlung? So auch Thomas Palzer. Egal, ob er eine Reise um sein Zimmer oder eine um die Welt unternimmt, ob zu Fuß, mit dem Motorrad, der Eisenbahn oder dem Flugzeug – seine Plattensammlung oder Reste von ihr begleiten ihn. Natürlich nicht in echt, sondern im Kopf. Und dazu macht er sich seinen Reim drauf. Eine Art Karaoke zur persönlichen Plattensammlung – zu jener launischen Version, die entsteht, wenn Teile davon längst in Vergessenheit geraten oder durcheinandergebracht worden sind, falsch datiert oder – mit Zeigefinger und Daumen am Lenkrad – völlig falsch instrumentiert. Also praktisch alle Platten vom Gedächtnis nochmal neu abgemischt und durchgesamplet sind. Wenn dann dazu epische oder lyrische Lieder im Sprechgesang vorgetragen werden – Lieder, die jedes für sich an irgendein anderes erinnern, man fragt sich bloß, an welches -, dann entsteht eine Wirklichkeit, die auf den Namen Chanson getauft ist. „Alles in der Welt ist nur dazu da, um in einen Chanson einzugehen“, hat Thomas Palzer einmal gesagt – aber auch dieser Satz erinnert uns, ehrlich gesagt, an den irgendeines anderen. War es Tony Joe White? Mallarmé? Willy de Ville?
Egal . Thomas Palzer ist ein Mann, der die vorletzte Fassung des Mannes spielt: Er war der erste Serge Gainsbourg in seinem Häuserblock. Und an jenem faunischen Nachmittag wieder einmal ganz besonders. Herausgekommen ist dabei etwas für das Werkzeug, mit dem wir an Musik herangehen: für das entzückte oder erschauernde Rückenmark. Und auf diesem thront bekanntlich das Gehirn – in diesem Fall unter dem dreifaltigen Namen Palzer Scannell Wood zum Singer / Songwriter gereift.
Substanz, 4. April 1996
Die 17 sparsam arrangierten Songgedichte erzählen auch von einem Nord-Süd-Gefälle des deutschen Poparbeitertums, einer Demarkationslinie, die den preußisch-hanseatischen Norden vom eher barocken Süden trennt. Süden ist aber auch Vaudeville, Sumpffieber und Alabama-lama-100. In einem Song wie ,Windjammer Jam’ ist das Murmeln der Fürbitten in das Call & Response-Schema von Gospel und Blues übergegangen, und von da aus darf noch einmal etwas Ritual in das vorausgesetzte Reich der Zeichen eindringen.
Thomas Palzer Ab hier FKK erlaubt. 50 schnelle Seitenblicke auf die neunziger Jahre. München 1996: C. H. Beck 186 Seiten, broschiert ISBN 978-3-933510-86-0 € 10,–
Wie um den Erwartungen aller Aufklärungsdenker Hohn zu sprechen, die fortgesetzt die Massenkultur und ihren Drang zum niedrigsten Niveau kritisieren, weil sie nicht sehen, daß es heute mehr um Faszination denn um Bedeutung geht, gleicht die Lage einem beliebigen Tagesablauf im Fernsehprogramm, wo das Wetter nahtlos auf den Witz der Woche, der Kulturweltspiegel auf das Maggi Kochstudio und Klingendes österreich auf Leben und Sterben in Sarajewo folgt – und immer so weiter. Einziges Ordnungsprinzip ist das Datum – und das steht in krassem Widerspruch zu jenem unumstößlichen Wert westlicher Kultur: der Langlebigkeit, die von der Liebe ebenso gefordert wird wie von Grundsatzpapieren, Autobatterien und gewöhnlicher Wandfarbe. Dabei wirkt das Regiment des Datums auf seine eigene Weise aufklärerisch, denn es zeigt, daß durch Wissen allein keine Möglichkeit gegeben ist, um über Wertpositionen zu befinden.
50 schnelle Seitenblicke auf die neunziger Jahre
Eine Bestandsaufnahme der Gegenwart.
So liest man seine 5-Minuten-Essays mit Gewinn … Palzer ist ein Informationsjunkie, ein potentieller Alleswisser, der einen Bogen schlagen kann von Rousseaus Bekenntnissen zu T-Shirts, auf denen‚ was draufsteht (Blumfeld).
Tip Berlin
Wer Ohren für den Zeitgeist hat, der höre Zündfunk auf BR 2. Wer dies versäumt, kann zumindest die Beiträge Der unsichtbare Hosenträger — 5 Minuten Wohlstand für alle des 1956 geborenen philosophisch ausgebildeten Autors Thomas Palzer in überarbeiteter Form nachlesen. In 50 schnellen Seitenblicken auf die neunziger Jahre gibt er eine Kurzeinführung in die vorletzten Dinge, an die wir uns in dieser Endzeitlichkeit zu halten haben. So unübersichtlich das Nebeneinander der Stile und Moden, so rasant deren Verbrauch — höchste Zeit zu begreifen, daß es nicht mehr auf die letzten Dinge ankommt, sondern auf die nächstliegenden: etwa auf die Shampoo-Flasche am Badewannenrand. So schreibt der Autor über Kino und Lotto, Essen auf Rädern, Buß- und Bettag, Lyrik und Claudia Schiffer, Waschsalon und Rauchen in der Kirche. Sein kulturkritischer und aufklärender Blick macht vor nichts halt und hält nirgends inne. Flott zappen wir mit ihm über Felder, die den Herren Benjamin, Kracauer und Adorno wohl einmalig heilig gewesen sein müssen.
Secret Service. kleine Ekstasen ist ein Band mit Kurz- und Kürzestgeschichten – ist Literatur, die so klug ist, daß sie weiß, woher sie kommt – und die mit ihrer Vergangenheit spielt – freilich ohne dabei zu vergessen, daß die Zukunft dort – also in der Vergangenheit – kaum liegen kann.
Auch kenne ich die Gründe nicht, weshalb ich vor ihm auf der dunkelgrünen Schreibunterlage ein großes Glas Bier stehen sehe. Jedenfalls wischt sich Vincent den Schaum mit dem Ärmel seines grauen Jacketts vom Mund, das hinter ihm an der Lehne hängt. Na ja, auch ich habe mir eben mit dem Ärmel den Mund gewischt. Daß ich das getan habe, hat natürlich mit der Wärmelehre zu tun.
Das Ich in Pony durchlebt eine Zeit, aus der ein Amerikaner einen Country-Song machen würde … Mehr als Pony mag man ohnehin nicht von einem Autor erwarten.